Hintergrundwissen "Kognitive Dissonanz"
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Als Kognitive Dissonanz bezeichnet man einen als unangenehm empfundenen Gefühlszustand, der dadurch entsteht, dass ein Mensch mehrere Gedanken, Wahrnehmungen, Meinungen, Einstellungen, Wünsche
oder Absichten hat,
die miteinander nicht vereinbar sind. Informationen, Handlungen und Entscheidungen stehen nicht in Übereinstimmung mit den
eigenen Überzeugungen, Gefühlen und Wertvorstellungen.
Beispiel 1:
Jemand geht einem Job als Verkäufer/Vertriebler nach, fühlt sich aber in dieser Rolle wie ein Betrüger, der Kunden schlechte
Ware andreht.
Beispiel 2:
Jemand kauft sich eine teure Jacke, weil er sie toll fand und er sich etwas gönnen wollte. Später merkt er, dass die Jacke
eigentlich viel zu teuer war und/oder er sie völlig unnötig gekauft hat, da er kaum Gelegenheit hat, sie überhaupt irgendwo zu tragen.
Beispiel 3:
Jemand macht etwas genau so wie er es (früher) (z.B. von seinen Eltern) gelernt hat und es früher vielleicht sogar richtig war, ernet damit aber keinen Erfolg, sondern nur Misserfolg und/oder
Ärger.
Beispiel 4:
Jemand hilft anderen Menschen, bekommt dafür jedoch keine Anerkennung
Beispiel 5:
Jemand erhält woanders (z.B. im Ausland) große Anerkennung, jedoch nicht (oder weniger) im eigenen Umfeld (z.B. Familie, Freunde, Inland)
Kognitive Dissonanz kann auch dann vorliegen, wenn jemand Informationen bekommt, die ihn als dumm oder unmoralisch dastehen lassen und ihm dies peinlich ist. Kognitive Dissonanzen treten unter anderem auf, wenn man eine Entscheidung getroffen hat, obwohl es durchaus attraktivere Alternativen gab, wenn man eine Entscheidung getroffen hat, die sich nachfolgend als Fehlentscheidung herausstellt, wenn einem bewusst wird, dass eine begonnene Sache anders ist als eigentlich erwartet, wenn man bedeutende Anstrengungen auf sich genommen hat, um dann lediglich festzustellen, dass das erreichte Ziel oder man selbst den Erwartungen nicht gerecht wird oder wenn man sich konträr zu seinen Überzeugungen verhält, ohne dass es dafür eine logisch nachvollziehbare Rechtfertigung gibt.
Kognitive Dissonanz hat viel mit unserer Wahrnehmung, unserem Weltbild, unserer eigenen Überzeugung und unserem Glauben zu tun. Nicht immer stimmt das, was wir glauben bzw. das, wovon wir überzeugt sind, mit dem, was wir daraus resultierend erwarten überein. Manchmal müssen wir gegen unseren alten Glauben und gegen eigene Überzeugungen angehen und unser Handeln anpassen, um weiter zu kommen, um Ziele zu erreichen, um Erfolge einzufahren. Nicht immer passen wir aber unser Denken an, was an eingefahrenen bzw. festgefahrenen Denkmustern liegt. Das können wir spätestens anhand unserer Gefühle bemerken z.B. wenn wir uns nicht wohl fühlen, bei dem, was wir da (ggf. anders oder gegen unsere eigentliche Überzeugung) tun. Kurz gesagt: Das, was man tut stimmt nicht mit dem, was man dabei eigentlich denkt und fühlt überein.
Ist die Übereinstimmung von dem, was man tut und dem, was man eigentlich denkt und fühlt, längerfristig nicht vorhanden, kann dies entweder zu einer dauerhaften Änderung von Einstellungen und Verhalten führen oder (bei einer starken Ausprägung) das eigene Selbstkonzept, das eigene Weltbild und unsere bestehenden Glaubenssätze leidvoll in Frage stellen.
Das Vorliegen einer Kognitiven Dissonanz bedingt, dass a) Verhalten und Einstellung tatsächlich als widersprüchlich empfunden werden, b) das Verhalten aus freien Stücken erfolgte, c) eine körperlich (je nach Stärke der Dissonanz unterschiedlich) spürbare Erregung eintritt und d) das Verhalten in einem schlussfolgendem Zusammenhang mit der Erregung steht.
Lösung kognitiver Dissonanzen
Gute und schlechte Lösungen
Problemlösung und Perspektivenwechsel
Eine Kognitive Dissonanz kann am besten gelöst werden, indem das eigentliche zugrundeliegende Problem gelöst wird. Dies geht zumeist nur, wenn man seinen eigenen Blickwinkel ändert, um die
möglichen und ggf. völlig neuen Lösungswege überhaupt erkennen zu können. Wenn natürlich stattdessen lediglich eine Bestätigung gesucht wird, wird ein Perspektivenwechsel eher schwer fallen.
Suche nach Bestätigung
Manchmal suchen Menschen selektiv nach möglichst bestätigenden Informationen und finden diese dann auch irgendwo. Manche
Menschen suchen zur Lösung kognitiver Dissonanzen nach Bestätigung im eigenen Umfeld. Dabei streben sie sogar intuitiv an, regelrecht belogen zu werden. Tatsächlich können bestätigende
Informationen rein faktisch eine Kognitive Dissonanz relativieren und durch den (ggf. auch falschen) Glauben an die bestätigenden Informationen lösen. Das Selbst- und Fremdbild kann dadurch
jedoch stark verzerrt werden. Zusätzlich kann sich eine Selbstbild-Fremdbild Inkongruenz einstellen und verfestigen.
Phantastische Erklärungen und Umdeutungen
Hinzu kommt das innere menschliche Streben, kognitive Dissonanzen über phantastische Erklärungen und regelrecht wahnwitzige Umdeutungen zu lösen. Hier wirkt der Effekt der kognitiven Dissonanz-Reduktion sowie der Selbstwert-Effekt (bzw. Selbstwertdienliche Vezerrungen). Eine besondere Form derartig wahnwitziger Verzerrungen zur Aufrechterhaltung des Selbstwertes ist die massive externale Fokussierung.
Flucht nach außen / Massive externale Fokussierung
In dem wir unseren Fokus auf etwas völlig anderes richten, das möglichst anders, fremd, oder ganz weit weg von uns ist, lenken wir uns von unseren kognitiven Dissonanzen ab und kompensieren diese
durch das narzisstisch anmutende Erhaschen von Aufmerksamkeit und Anerkennung in einem ganz anderen Umfeld. Eine solche massiv externale Fokussierung erfolgt häufig bei o.g. Beispiel 5.
Manchmal ist dieses Umfeld ein Phantasiegebilde oder eine virtuelle Welt. Manchmal richtet sich der Fokus auf fremde Länder sowie auf Menschen und Tiere, die wir in Not sehen. Je höher die
vermeintliche Not anderer ist oder scheint, desto höher die Ablenkung, desto größer die Anerkennung, desto besser das Selbstwertgefühl. Dadurch vergessen bzw. verdrängen wir eigene negative
Gefühle uns selbst gegenüber. Anerkennung, die wir im eigenen Umfeld oder im eigenen Land nicht finden, suchen wir dann ganz weit weg.
Wir nutzen hilflos oder arm erscheinende Wesen zum Zwecke der Aufwertung des eigenen Selbstwertes und zur Unterdrückung kognitiver Dissonanzen. Insofern sind wir bemüht, unserer eigenes Unwohlgefühl dadurch zu kompensieren, in dem wir anderen helfen oder (insbesondere bei einer vorliegenden Persönlichkeitsstörung) anderen unsere Hilfe geradewegs aufnötigen.
Selbsthinterfragung
Eine Dissonanz kann aber auch besser gelöst werden z.B. indem die eigenen Wünsche, Absichten oder Einstellungen hinterfragt, geändert und ggf. aufgegeben werden, damit erreichbare und
konfliktärmere Ziele gesteckt werden können. Zusätzlich kann man die Erregung lindern bzw. relativieren, in dem man durch ausgleichende Aktivitäten positiven Eustress aufbaut und negativen
Distress abbaut.
Herunterspielen und Leugnen
Oft wird jedoch die eigene Erregung auf andere Ursachen zurückgeführt, der Widerspruch heruntergespielt oder sogar als erzwungen dargestellt. Nicht selten werden Dissonanzen geleugnet oder
abwertet. Auch dies hilft. Ob dies nun generell sinnvoll ist, sei dahingestellt. Wichtig ist, dass sich etwas ändert. Entweder wird das Verhalten geändert, so dass es zur eigenen Überzeugung
passt, oder die Überzeugung wird geändert, so dass sie zum Verhalten passt.
Bewusst kontrollierte Nutzung im Coaching sowie im Marketing
Kognitive Dissonanzen können auch bewusst bzw. mit Absicht herbeigeführt werden z.B. gut kontrolliert in einem speziellen Coaching. Das Provokative Feedback
Coaching stellt hier eine ausgezeichnete Technik dar, mit der kognitive Dissonanzen ganz bewusst
erzeugt werden z.B. um ein Umdenken zu erreichen und positive Veränderungen herbeizuführen. Auch in der Erziehung sowie im Marketing und im Verkauf bzw. in der Verkaufspsychologie spielen kognitive Dissonanz eine Rolle. Sie werden genutzt, um
ein höheres Verkaufsergebnis zu erzielen.
Eine bewusst eingesetzte Manipulationstechnik, die auf dem Umgang mit Kognitiven Dissonanzen basiert, ist z.B. der
Lowballing-effect, bei dem z.B. nachträgliche
Preiserhöhungen von Käufern deshalb akzeptiert werden, weil diese eine vorausgegangene Entscheidung bereits zu sehr verinnerlicht und aufgewertet haben. Auch im Bereich der persuasiven Kommunikation nutzen Manipulatoren den Effekt der kognitiven Dissonanz zum Zwecke der Überredung und
Überzeugung sowie zum Zwecke der Einstellungs- und Verhaltensänderung.
Wahrnehmungs- und Beurteilungsfehler aufgrund kognitiver Dissonanzen
Der Wahrnehmungs- und Beurteilungsfehler aufgrund kognitiver Dissonanzen basiert
auf dem Prinzip der kognitiven Dissonanz-Reduktion:
Passt unser Verhalten und unser Denken (auch Ansichten, Wert- und Moralvorstellungen etc.) nicht zusammen, erscheint unser Selbstkonzept gefährdet bzw. unser Selbstwert bedroht. Zur
Erhaltung unseres Selbstwertes setzt unser Denken oft starke Erklärungs- bzw. Selbstentschuldigungs-Mechanismen in Gang, welche die Realität und ursächliche Zusammenhänge stark
verzerren.
Hat man z.B. eine im Nachhinein ungünstige Entscheidung getroffen, wertet man die Entscheidung bzw. die Gründe für diese
Entscheidung nachträglich um und auf oder schreibt sie irrationalen Gründen und Zusammenhängen zu. Möglich gewesene Alternativen wertet man hingegen ab oder negiert sie im
Nachhinein völlig.
Dabei gilt das Prinzip: Je wichtiger und unumkehrbarer die Entscheidung war,
desto stärker wirkt der Effekt.
Hat man sich seiner eigenen Meinung nach unmoralisch verhalten, tendiert man z.B. dazu, die eigenen Werte im Nachhinein dem Verhalten anzugleichen. Man ändert einfach seine moralischen Werte und umgeht durch diesen "Selbstbetrug", der eine natürliche Fähigkeit darstellt, unser Selbstkonzept aufrechtzuerhalten, die Kognitive Dissonanz und das damit verbundene unangenehme Gefühl.
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