Hintergrundwissen "Körperdysmorphe Störung"
Mehrwert-Infos für Vielleser, Mehrwisser, Besserwisser
Bei der körperdysmorphen Störung, kurz KDS, auch Dysmorphophobie oder Entstellungssyndrom genannt (englisch Body Dysmorphic Disorder), handelt es sich um eine Missgestaltsfurcht bzw. Körperbildstörung (Body Image Disturbance) bzw. um eine vermeindliche bzw. phantastisch angenommene Körperentstellung, die sich die Betroffenen einbilden. Die Störung wird auch Thersites-Komplex genannt.
Die Bezeichnung Dysmorphophobie entstammt dem Griechischen: "dys" = un-, miss- zuzüglich "morphe" = Gestalt, äußere Erscheinung plus "phobios" = Furcht, Angst, Scheu).
Bei dieser Störung, die in einem
Zusammenhang mit
dem "body
image" besteht, liegt eine exzessive Beschäftigung mit einem vermuteten Mangel oder einer vermuteten
Entstellung im körperlichen Aussehen vor. Die Störung ist eingebildet und zugleich eine Art der Hypochondrie (eingebildete Krankheit), denn die Sorge der betroffenen Personen ist deutlich übertrieben. Dennoch ist die körperdysmorphe Störung nicht mit Hypochondrie zu
verwechseln.
Tatsächlich gibt es Menschen, die sich nicht gerne
sehen oder sich nicht mehr ertragen können weil sie ihrer subjektiven Auffassung nach eine für sie unerträgliche körperliche „Entstellung" aufweisen. Die Betroffenen erleben sich oder irgendetwas
an ihrem Körper als hässlich oder abstoßend, obgleich sie in den Augen anderer - objektiv betrachtet - zumeist unauffällig aussehen. Alternativ empfinden die Betroffenen bereits leichte
körperliche Veränderungen oder markante Körper-Partien als Anomalität, die sie nicht ertragen und als peinlich empfinden.
Davon sind sie unbeirrbar überzeugt, selbst wenn andere ihnnen versichern, dass die betreffende Körperpartie unauffällig oder sogar interessant und schön ist. Obgleich andere das nicht bestätigen können, glauben diese Menschen an einen Makel, der sie sehr stört und unglücklich stimmt. Viele bekommen
so etwas aber auch nur eingeredet und glauben daran.
Dies führt zu einer krankhaften Einstellung mit ggf. sozialen und beruflichen Beeinträchtigungen. Darüber hinaus kann die Störung hohe Kosten verursachen. Das gesamte Denken und Handeln der Betroffenen kreist nur noch um das vermeindliche Problem bzw. eine konkrete Problemzone bis schließlich nur noch kosmetische Behandlungen und plastische Operationen Hilfe versprechen. Das eigentliche Problem wird dadurch aber nicht gelöst, so dass einer Schönheits-OP weitere Behandlungen und Operationen folgen.
Tatsächlich handelt es sich bei der Körperdysmorphen Störung nicht um einen körperlichen Makel, sondern um ein unverarbeitetes seelisches Problem. Wie bei anderen ähnlichen psychischen Störungen meiden die Betroffenen in der Regel genau das, was Ihnen helfen könnte: Den Rat eines Psychiaters oder Psychologen. Stattdessen geben die Betroffenen Unsummen für Schönheitsbehandlungen und Ähnliches aus.
Weil die Betroffenen Psychiater und Psychologen, die eine zutreffende Diagnose stellen könnten, meiden - und stattdessen Plastische Chirurgen, Dermatologen, Kosmetiker sowie Zahnärzte und Kieferchirurgen aufsuchen, wird das Krankheitsbild
selten erkannt und tritt daher folglich als Krankheitsbild selten offiziell in Erscheinung. Das Leiden trifft jedoch mehr Menschen als allgemein bekannt ist.
Mit einem leichten Frauenüberschuss ist die Krankheit auf beide Geschlechter gleich verteilt, wobei eher jüngere
Menschen (nicht selten bereits Jugendliche, die sich ohnehin öfter mit ihrem Körper beschäftigen) davon betroffen sind, wobei das Leiden (wenn überhaupt) zumeist erst nach vielen Jahren
diagnostiziert wird. Dies liegt daran, dass die Betroffenen ihre Beschwerden nicht gerne zugeben und sich nicht an der richtigen Stelle (Psychiatrie) behandeln lassen.
Die Amerikanische Psychiatrische Vereinigung (APA) listet die Körperdysmorphe Störung in ihrem diagnostischen und
statistischen Manual Psychischer Störungen (DSM-IV) unter der Hauptgruppe der somatoformen Störungen als eigenständiges Leiden auf während die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Körperdysmorphe Störung in ihrer internationalen Klassifikation psychischer Störungen
(ICD-10) zusammen mit der Hypochondrie aufführt.
Menschen mit KDS bzw. Dysmorphophobie leiden an einer gestörten Selbstwahrnehmung. Die wahnhafte Überzeugung, man sei von einem körperlichen Defekt betroffen, obwohl das Aussehen völlig im Rahmen des Normalen liegt oder gar sehr ästhetisch und ansprechend ist, kommt zusammen mit dem einem Zwang nach Veränderung und nach Ausweichen vor anderen.
Typisch ist, dass nur einzelne Körperteile als Makel wahrgenommen werden.
Menschen mit KDS strahlen ihre wahnhafte Überzeugung und entsprechende Scham oft mimisch, gestisch und sprachlich oder über ritualisierte Verhaltensweisen gegenüber Mitmenschen aus. Der
Körper unterstützt körpersprachlich nicht das geringere Selbstwertgefühl. Zu den ritualisierten Verhaltensmustern gehört auch das Überprüfen des Erscheinungsbildes in Spiegeln oder anderen
reflektierenden Oberflächen, ebenso Vergleiche des eigenen Aussehens mit dem von anderen Personen. Dies und das Vermeidungsverhalten wirkt sich störend auf die Betroffenen und ihr Umfeld aus,
ggf. auch auf das Verhalten. Ggf. führt Vermeidungsverhalten zu begrenzten sozialen Kontakten, ggf. auch zur Abgrenzung von sozialen Beziehungen.
Nach Price (1999) liegt ein verändertes Körperbild dann vor, wenn individuelle und soziale Copingstrategien zur Veränderung der Körperrealität, des Körperideals und der Körperrepräsentation durch Verletzung, Erkrankung oder Behinderung oder soziale Stigmatisierung unwirksam oder überfordert werden.
Sofern sich die Störung zu einem Wahn entwickelt, wird niemand die Betroffenen davon abbringen bzw. umstimmen können. Die angenommene Fremdwahrnehmung verhärmt sich. Zwischen
Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung klafft eine Lücke. Oft fühlen sich die Betroffenen von anderen (z.B. in der Öffentlichkeit) angestarrt und fürchten, die vermeintliche Entstellung gebe
anderen Anlass zu Ablehnung, Verachtung oder anderen negativen Bewertungen.
Aufgrund der befürchteten Hässlichkeit des eigenen Körpers ist es für Betroffene oftmals schwierig bis unmöglich, sich mit als attraktiv empfundenen Personen zu unterhalten und eine normale bzw.
gesunde Liebesbeziehung zu führen. Für die Partner der Betroffenen ist die Störung, das daraus resultierende Verhalten und Vermeidungsverhalten sowie die daraus resultierenden Gefühle und
Stimmungen oft unerträglich.
Wie eine Metaanalyse der kognitiv-behavioralen Psychotherapie-Resultate (aus acht Fallserien und zwei kontrollierten Untersuchungen) ergab, ist eine Behandlung angeblich durch kognitive Verhaltenstherapie und Verabreichung von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern wirksam. Fluoxetin soll in der Monotherapie ebenso gut ansprechen wie Escitalopram. Auf jeden Fall lohnt sich die Konsultation eines entsprechenden Arztes (Psychiater), eine psychotherapeutische Behandlung und/oder ein Coaching. Die Konfrontation mit der Realität ist einen Versuch wert. Bei schwach ausgeprägter Störung kann sie gut helfen, sofern sie nicht bereits im Ansatz abgeschwächt wird bzw. auf Wunsch des Betroffenen oder seiner Angehörigen abgeschwächt werden soll. Bei einer wahnhaften Störung bzw. einem Wahn wird jedoch die Realität negiert und abgewiesen, wobei den Feedbackgebern Inkompetenz oder Verschwörung (Verschwörungstheorien) zugedacht wird. Hier kann dann nur noch ein Psychiater helfen, zumindest dann, wenn die Einsicht zum Arztbesuch und zur Befolgung der verordneten Therapie vorhanden ist.
Presse
Teufelskiller unterzog sich Schönheits-OP
Bild.de