Psychische Erkrankungen sind keine Seltenheit

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Die offizielle Lage

Allgemeine Informationen zum offiziellen Stand von 2014

Psychische Störungen sind weit verbreitet. Bereits eine ältere Studie der WHO zeigt auf, dass weltweit jeder vierte Arztbesucher an einer psychischen Störung leidet. Heute und insbesondere in Zivilisationsländern ist die Quote wesentlich höher. In Deutschland gehen vorsichtige Studien davon aus, dass mindestens rund zehn Prozent der Bevölkerung behandlungsbedürftig sind, wozu man anmerken muss, dass es auch Störungen gibt, die weder behandelt werden, noch aus gesellschaftlicher Sicht behandlungsbedürftig sind. Kassenunabhängige Statistiken berichten davon, dass jeder dritte Bürger in unserem Land psychisch krank sei - und das mit steigender Tendenz.

 

Im Arbeitsleben sind psychische Störungen mittlerweile die zweithäufigste Ursache für Krankschreibungen. (2010 wurde in Hamburger Betrieben nur jeder sechste Fehltag durch psychische Erkrankungen verursacht). Die Fallzahlen psychischer Erkrankungen schnellen ungebremst empor. Einer DAK-Studie zufolge spielen psychische Erkrankungen inzwischen eine fast doppelt so große Rolle wie noch 1998. Nach einer mittlerweile älteren Analyse der Bundespsychotherapeutenkammer, welche die Daten gesetzlicher Krankenkassen ausgewertet hat, hat sich die Zahl von Krankschreibungen aufgrund psychischer Störungen seit Mitte der 90er Jahre fast verdoppelt. Allein nur die Behandlungskosten für depressive Störungen lagen demnach inzwischen bei mehr als vier Milliarden Euro im Jahr.

Die Zahl der Fehltage, die durch psychische Erkrankungen anfallen, ist mit durchschnittlich 114 Tagen (2013) deutlich höher als in Folge anderer Erkrankungen gehen. Zwischen 2000 und 2013 sind die Fehlzeiten aufgrund Erkrankung der Psyche um 69 Prozent gestiegen. Die Entwicklung scheint sich fortzusetzen: Die Daten für 2014 zeigen bereits jetzt, dass die Zahl der Fehltage erneut leicht gestiegen ist.

 

Das Problem ist besorgniserregend, insbesondere, weil es zu berücksichtigen gilt, dass nur ein relativ kleiner Anteil von Menschen, die psychisch erkrankt sind, sich überhaupt als "krank" und/oder "behandlungsbedürftig" sehen und statistisch erfasst werden. Auch jene, die eine psychischer Störung bei sich vermuten oder von ihr wissen, sprechen nicht darüber. Sie "berichten" nicht, maximal nennen sie andere Beschwerden (körperliche Beschwerden) oder führen ganz andere Anliegen an, die in keiner unmittelbaren Verbindung zur allgemeinen (falschen) Vorstellung von einer psychischen Erkrankung gehören, die man für "typisch" hält.

 

In den meisten Fällen spricht man nicht von einer "Erkrankung", sondern lediglich von einer "Störung". Viele dieser Störungen sind zudem in der in Deutschland genutzten Normierung, die der Einstufung gilt, gar nicht bekannt. Als eines von vielen Beispielen hierfür sei an dieser Stelle kurz die "Passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung" (auch "Negativistische Persönlichkeitstörung" genannt). Andere Einstufungen der jeweiligen Normierung werden nicht oder nur selten bzw. lediglich in Ausnahmefällen gebraucht, um ein angebliches Stigma für den Betroffenen zu vermeiden und weil zu wenig Zeit für eine hinreichende Untersuchung des "Patienten" besteht.

 

Zu berücksichtigen gilt auch: Bei einer Vielzahl psychischer Erkrankungen wissen die Betroffenen gar nichts von ihrer Erkrankung und erst recht nichts von einer Persönlichkeitsstörung. Die Frage "Bin ich vielleicht psychisch krank?" stellen sich nur ganz wenig Menschen und nur ein Bruchteil der Betroffenen, die eher andere Menschen für "krank" oder "gestört" halten als sich selbst. Diese Menschen werden statistisch nicht erfasst, ebenso wenig die diesbezüglichen Krankheitsbilder, lediglich die, die mit "seelischen Tiefs" einhergehen, die der Betroffene nicht aushält. Das trifft auf viele Störungen jedoch gar nicht zu. Hier leiden maximal die Angehörigen bzw. das soziale Umfeld, nicht oder weniger aber der Betroffene selbst. Diese würden natürlich nicht von selbst überhaupt auf die Idee kommen würde, einen Profi (Arzt oder Psychologen) zu konsultieren. Selbst wenn das Umfeld darunter leiden sollte, gilt in Deutschland das Recht auf individuelle Selbstbestimmung auch bei Menschen mit starker psychischer Erkrankung.

 

Gemäß offiziellen Statistiken sind insbesondere Arbeitslose besonders stark betroffen: Laut einer Studie werden sie drei- bis viermal so häufig psychisch krank wie Erwerbstätige. Trotzdem ist jede vierte psychische Erkrankung arbeitsbedingt. Die Fehltage von Arbeitnehmern stiegen in den letzten Jahren enorm an. Sie lagen bereits vor 5 Jahren 80 Prozent über dem Wert von vor 15 Jahren. Ein Fehltag kostet im Schnitt über 450 Euro. Bei den sprunghaft ansteigenden psychischen Erkrankungen rechnet man mit 35 Fehltagen pro Jahr. Allein der deutschen Industrie gehen dadurch zweistellige Milliardenbeträge pro Jahr verloren. Sehr häufig betroffen sind ebenfalls Führungskräfte. Hier fällt es jedoch weniger auf.

 

Gründe für den Anstieg psychischer Erkrankungen
Gründe für den Anstieg psychischer Erkrankungen sind u.a. die gestiegenen Anforderungen der Arbeitswelt in Verbindung mit wachsenden mentalen Anforderungen und psychischen Belastungen: Schlechte Bezahlung, wenig Lob, geringe Aufstiegschancen, Unsicherheiten durch befristete Arbeitsverträge oder gar Arbeitslosigkeit sowie Konflikte um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Konflikte in Sachen Karriereplanung. Der private Druck (Lebensunterhalt, Mieten, Vergleiche mit anderen, besser gestellten oder Medieninformationen etc.) steigt. Auf der anderen Seite wird beruflich ein immer höheres Maß an Qualifikation, Flexibilität und Unsicherheit abverlangt. Dem gegenüber stehen Menschen, welche die vorausgenannten Belastungen nicht kennen. Auch hier entwickeln sich Störungen, u.a. weil es diesen Menschen quasi zu gut geht, ihnen relativierende oder einschränkende Punkte fehlen und sie von allem zu viel haben. 

 

Krank machende Arbeitsverhältnisse

Psychische Krankheiten gehen zunehmend auf krank machende Arbeitsverhältnisse zurück. Das ermittelten Forscher durch die Befragung von 300 Psychiatern, die in der Zeitschrift "Wirtschaftspsychologie aktuell" publiziert wurde. Bei rund 26 Prozent der Erkrankungen dürfte die Situation im Job sogar der wichtigste Auslöser sein.

 

Der Umgang der Betriebe sowohl mit den Erkrankten vor wie auch nach dem Krankenstand ist jedoch noch weitgehend schlecht. Darauf weist die Tatsache, dass 38 Prozent der Fachärzte den Patienten raten, dem Chef nach der Rückkehr die psychische Erkrankung zu verschweigen.

 

Führungskräfte sollten sich schulen lassen, damit sie ein Gespür für das Erkennen der Krankheitssymptome bekommen, wobei jedoch das Diagnostizieren unbedingt vermieden werden muss. Geübt werden sollte auch das richtige Ansprechen des Problems sowie die Erarbeitung von Lösungen.


Nicht der einzige Grund
Die genannte offizielle Erklärung ist aber nicht der einzige Grund für den dramatischen Anstieg psychischer Störungen und schwerwiegender Persönlichkeitsstörungen. Der Grund liegt vielmehr in generellen gesellschaftlichen Entwicklungen, angefangen von Veränderungen im Erziehungswesen bis hin zum Konsum.


Manche Dinge stellen heute einen derart starken Widerspruch zur Logik und zum Gefühl der Richtigkeit dar, dass sich starke kognitive Dissonanzen bilden, die es zu verarbeiten gibt. So erleben immer mehr Menschen, dass sich z.B. ehrliche und harte Arbeit scheinbar weniger lohnt als Verhalten, das früher eigentlich als unsozial oder negativ galt. Immer häufiger und stärker empfinden Menschen das Gefühl der Ungerechtigkeit sowie insbesondere der sozialen Ungerechtigkeit.


Während einige Personen- und Berufsgruppen (z.B. staatlich oder gewerkschaftlich) protegiert werden, haben andere das Gefühl, eher wenig berücksichtigt, beachtet und ernst genommen zu werden - auch seitens der Politik, die sich scheinbar "mehr für andere als für einen selbst interessiert". Menschen erleben massive externale Fokussierung sowie politisches Engagement, soziale Hilfsbereitschaft und wirtschaftliche Zuwendungen für "Gott und die Welt", erfahren selbst im eigenen Lande nicht ansatzweise Hilfe, noch Zuwendung von Staat und/oder Nachbarschaft. Dadurch entsteht der Eindruck, dass sich alle nur für andere interessieren, die möglichst ganz weit weg sind oder diese Hilfe aus subjektiver Sicht eigentlich gar nicht verdienen.


Auch fehlt es immer mehr an sozialen Erfolgserlebnissen - auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Das fängt bereits im Kleinen an: Das befriedigende Erfolgs- und Glücksgefühl beim Erwerb eines High-Involment Produktes währt nicht lange, da bereits in der nächsten Woche eine neue und vermeintlich bessere Produktreihe auf den Markt kommt, was dann sogar zu Frust führt, der im Stillen unterdrückt - oder über selbstwertdienliche Verzerrungen uminterpretiert - wird. Lügen und Selbstbetrug gehören immer mehr zum Lebensalltag.

Hinzu kommen unzählige Informationen, die dauerhaft auf die Menschen einwirken, die heute immer mehr für die Medien zugänglich sind und sich zusätzlich immer mehr über soziale Medien definieren. Bereits in den Massenmedien werden Menschen um Umstände - aber eben auch gestörte Menschen und Umstände derart vorgelebt, dass der eigene Selbstwert in Frage gestellt oder überhöht wird. Zu dieser Überhöhung trägt auch der Markt bei, der den Kunden überall und laufend umwirbt und ihm Dinge regelrecht einsuggeriert.

Die Dunkelziffer: Die eigentliche Gefahr

Sofern sich in Bezug auf die Erkennung psychischer Störungen (z.B. bei der Personalauswahl und Eignungsdiagnostik) nicht bald drastisch etwas ändert,
kann das bei weiterem Anstieg immer mehr drastische Konsequenzen haben
und zu vielen unerwünschten Folgen führen. Die Berichterstattung über solche Störungen, aufgrund derer die Betroffenen überhaupt erst von einer offiziellen Statistik erfasst werden (z.B. "Burn out" und "Depressionen") spiegelt die Gefahr für die Mitmenschen
in keinster Weise - und nicht auch nur annähernd realistisch - wieder. 

 

Besonders hohe Gefahr
Ein besonders hohe Gefahr liegt in der Zunahme schwerer Psychosen sowie in der Zunahme und geradewegs viralen Ausbreitung schwerwiegender Persönlichkeitsstörungen, was ein regelrechtes gesellschaftliches Problem darstellt.


Die Studien hierzu finden jedoch nur geringfügige Berücksichtigung, was u.a. daran liegt, dass in Deutschland zumeist die Statistiken der Krankenkassen Berücksichtigung finden. Hier werden aber nur solche Fälle erfasst, bei denen die Betroffenen aufgrund eines Leidens von sich aus einen Arzt konsultiert haben oder über die Psych KG per richterlichen Beschluss in eine entsprechende Klinik eingewiesen worden sind.


Fakt ist jedoch, dass die wenigsten Störungen mit einem Leiden für die Betroffenen selbst verbunden sind. Hier leiden eher die Angehörigen bzw. die Umwelt. Zugleich ist dies der Grund, warum seitens der Betroffenen überhaupt kein Bedürfnis besteht, einen Arzt oder Therapeuten zu konsultieren. Sie selbst fühlen sich gut, ggf. sogar "grandios". Für sie sind höchstens die anderen "gestört". Die Dunkelziffer derer, die in Wirklichkeit von einer Störung betroffen sind, ist in Wirklichkeit derart hoch, dass die o.g. offiziellen Zahlen lediglich einen minimalen Bruchteil des tatsächlichen Ist-Zustandes darstellen.

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