Hintergrundwissen "Status-Rollen Effekt (nach Köhler)"

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Der Status-Rollen-Effekt (nach Köhler) basiert auf a) Vorausurteilen, b) Vorurteilen,

c) Stereotype und Statusdenken und d) Erwartungen.

 

Der Effekt vereinigt gleich mehrere Phänomene: a) Die Wahrnehmung von Status und Rolle, b) das unterschiedliche Verhalten gegenüber Menschen mit vermeintlich unterschiedlichem Status und die Tatsache, dass Menschen sich einem anderen Status gegenüber anpassen, c) sich anderen Menschen mit vermeintlich höherem Status gegenüber verstellen und d) sich gegenüber Menschen mit einem vermeintlich niedrigem Status eher (negativ) outen.

 

Zum Effekt: Menschen verhalten sich anderen Menschen gegenüber immer abhängig vom sozialen Status und der jeweiligen Rolle ihres Gegenübers. Dabei geht es nicht nur um die Rolle bzw. den Status, die/den der andere tatsächlich hat oder lediglich darstellt (z.B. vorgibt), sondern allein auf die reine Vorstellung. Diese Vorstellung basiert auf bestimmten Erwartungen und ist an Klischees, Stereotype und Denkmuster geknüpft. Ebenso bezieht sich der Effekt nicht nur auf die Rolle bzw. den Status selbst, sondern allein auf die Vorstellung bzw. Unterstellung von Status und Rolle einer anderen Person.

 

Auch betrifft der Effekt nicht nur das Verhalten: Die gesamte Wahrnehmung ändert sich abhängig vom unterstellten Status bzw. der unterstellten Rolle einer anderen Person. Der Status-Rollen Effekt zählt daher zu den sogenannten Wahrnehmungs- und Beurteilungsfehlern. Andreas Köhler konnte in unzähligen Experimenten nachweisen, dass Menschen (z.B. Telefonverkäufer, Vertriebsmitarbeiter und Bewerber bei ihrer telefonischen Erstkontaktaufnahme zu Unternehmen mit dem Ziel, den zuständigen oder vermeintlich zuständigen Entscheider zum Zwecke der Werbung oder Eigenwerbung zu kontaktieren), sich einer Person, die zuerst ans Telefon geht - und allein dadurch für einen Mitarbeiter mit niederem Status gehalten wird - auffallend anders verhalten als beim nachfolgenden Gespräch mit dem vermeintlichen Entscheider, an den unmittelbar danach oder später weiter verbunden wurde.

 

Während sich die Anrufer dem ersten Gesprächspartner gegenüber überlegen fühlten und auch genauso verhielten, änderte sich Wahrnehmung und Verhalten nach Verbindung mit einer weiteren Person in starkem Ausmaße. Die Experimente zeigten auch, dass das Verhalten personenunabhängig war und zudem mit der tatsächlichen Rolle der Gesprächspartner in keinerlei Verbindung stand.

 

Das Experiment zeigte bei persönlichen Kontaktaufnahmen das gleiche Ergebnis - dazu völlig unabhängig von der tatsächlichen Rolle der jeweiligen Personen: Auch nach einem Rollentausch war die konkrete Wahrnehmung und das Verhalten identisch.

 

Der jeweils erste Gesprächspartner wurde anders gesehen und behandelt als der jeweils nachfolgende, dem eine wichtigere Rolle und ein höherer Status zugeordnet wurde. Je mehr Gesprächspartner aufeinander folgten, desto höher die Zuordnung von Wichtigkeit in Bezug auf Status und Rolle, desto höher die Wertschätzung, desto positiver das Verhalten, desto mehr wurde der wahre Charakter (gemessen über Verhalten) jeweils unterdrückt und eine regelrechte Maske aufgesetzt. Auch im Hinblick auf Verhalten: Je öfter die Versuchspersonen weiterverbunden oder zu einem neuen Gesprächspartner geführt wurden, desto freundlicher, höflicher, zurückhaltender und künstlicher war das Verhalten. Das Verhalten gegenüber den ersten Gesprächspartner war hingegen wesentlich selbstbewusster, ungehobelter und unfreundlicher.

 

Zusätzlich konnte folgendes festgestellt werden:
Auf den künstlichen Aufbau von Reibung, Missverständnissen und Hürden reagierten die Versuchspersonen oftmals sehr ungehalten, teilweise erfolgte ein regelrechtes Negativ-Outing, das mit dem eigentlichen Anliegen (Werbung/Eigenwerbung) in keiner logischen Verbindung stand. Bei Erzeugen der gleichen Reibung durch die nachfolgenden Gesprächspartner reagierten die Versuchspersonen weniger bis gar nicht. Die meisten unterdrückten das Verhalten, das sie zuvor an den Tag legten. Zugleich wurde das gespielte Verhalten der Tester - je nach unterstellter Rolle bzw. nach Status - unterschiedlich wahrgenommen. Die subjektive Empfindung der Verrsuchspersonen war eine andere. Daraus folgt der Schluss, dass negatives Verhalten nicht nur bewusst unterdrückt wird. Unbewusste Prozesse spielen hier ebenfalls eine Rolle.

 

Der Status-Rollen-Effekt zeigt auch, dass sich Menschen von Menschen mehr bieten bzw. gefallen lassen wenn sie bei diesen einen höheren Status unterstellen oder der andere eine vermeintlich wichtige Rolle einnimmt (ggf. spielt).

 

Die höchsten Werte wurden in der Wahrnehmung von vermeintlichen Stars bzw. Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens (z.B. Schauspieler gemessen), aber auch in der Wahrnehmung von TV-Journalisten, selbst wenn diese nur "Praktikanten" waren.

 

Die Ergebnisse der Untersuchung sind später in das ib reality view & proof concept (Personalauswahlkonzept) eingeflossen, wo sie einen kleinen - aber sicher nicht unbedeutenden kleinen Teil - zur angewandten psychologischen Eignungsdiagnostik beitragen, auch um den wahren Charakter im Alltag (inklusive Einstellungen und Verhalten gegenüber Mitarbeitern) von künstlich-aufgesetztem Verhalten zu unterscheiden.

 

Der Effekt zeigt auch: Je höher die Rolle (Position) ist bzw. je höher ein Status-Gefühl aufgebaut wird, desto mehr verstellen sich Menschen. Ihren wahren Charakter zeigen sie hingegen eher dort, wo sie einen niedrigen Status vermuten. Zugleich zeigte sich: Je mehr ein Werber oder Bewerber "hofiert" wird, desto mehr wird ein Entscheider belogen.

 

Der Effekt zeigt - neben unzähligen weiteren ähnlichen Effekten und Wahrnehmungsfehlern - dass die modernen Personal-Strategien (z.B. Mitarbeiter-Anwerbung) und die übliche Personalauswahl-Methodik stark in Frage zu stellen ist. Hier gilt die Faustformel: Je größer das Unternehmen, je umfassender das hierarchische Konstrukt, je höher die Position oder der Titel des Entscheiders, je werbender die Personalwerbung und je schicker das Ambiente, desto mehr verstellt sich der Bewerber, desto geringer die Aussagekraft von Vorstellungsgesprächen.

 

Der Status-Rollen Effekt (nach Köhler) steht im Zusammenhang mit weiteren Wahrnehmungsfehlern und Effekten. Dazu zählen der Hierarchie-Effekt und der Überlegenheitsfehler:

Überlegenheits-Fehler / Überlegenheits-Illusion / Lake Wobegon-Effekt

Das Gefühl der Überlegenheit verzerrt unsere Wahrnehmung: Wenn wir uns einer anderen Person gegenüber überlegen fühlen bzw. von einer anderen Person annehmen, dass sie uns unterlegen sei, allein weil wir diese so wahrnehmen, treffen wir sehr unbesonnene Entscheidungen, die nicht selten zu unseren Ungunsten sind. Viele Schlachten und Kriege wurden nur deshalb verloren, weil sich ein Feldherr (oder eine Armee oder eine Nation) einem anderen Feldherrn (bzw. einer anderen Armee oder Nation) überlegen fühlte. (Detail-Infos)


Der Überlegensheitsfehler steht in direkter Verbindung mit der Überlegenheitsillusion, die auch als "Lake Wobegon-Effekt" bekannt ist. Der Effekt besagt, dass der Mensch seine eigenen Fähigkeiten überschätzt. Der Lake-Wobegon-Effekt bezeichnet die Tatsache, dass nicht wenige Menschen bestimmte eigene Fähigkeiten für überdurchschnittlich halten. Hinzu kommt dieTatsache, dass die eigenen Fähigkeiten umso stärker überschätzt werden, je schlechter diese in Wirklichkeit sind (auch als Dunning-Kruger-Effekt bezeichnet).

Wie der Selbstwert-Effekt / Social-Cognition-Effekt und der Overconfidence-effect / Overconfidence-barrier-effect zu den Selbstwertdienlichen Verzerrungen im Rahmen der Selbstwirksamkeitserwartung und basiert somit auf auf einem Wahrnehmungs- und Beurteilungsfehler.

Hierachie-Effekt

Der Effekt basiert sowohl auf der sozialen Wahrnehmung als auch auf Stereotype. Er spielt im Personalwesen - aber auch in vielen anderen Lebensbereichen (von der Kreditvergabe bis zur Partnerwahl) eine entscheidende Rolle. Der Effekt besagt, dass Menschen (z.B. Mitarbeiter eines Unternehmens) höherer Hierachie-Stufen (Positionen im Unternehmen) grundsätzlich anders beobachtet, beurteilt und bewertet werden als Vertreter unterer hierarchischer Stufen. Es wird also davon ausgegangen, dass Menschen höherer Hierarchien automatisch besser sind.


Bei dieser Menschenbildannahme, die zugleich eine bestimmte Erwartung produziert, wird davon ausgegangen, dass in gehobenen Positionen ausschließlich gute bzw. sehr gute (z.B. intelligentere, zuverlässigere, engagierterer, ehrlichere usw.) Menschen bzw. Mitarbeiter zu finden sind, weil man meint, sie hätten es sonst gar nicht bis in diese Positionen gebracht. Im Umkehrschluss wird stigmatisierend davon ausgegangen, dass Angehörige unterer Hierarchien automatisch schlechter sind. Beobachtungs-, Beurteilungs- und Entscheidungsraster werden entsprechend angepasst.