Hintergrundwissen "Wahrnehmungsfehler aufgrund Medienpräsenz"

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Einführung & Differenzierung

Personen und Dinge, die in den Medien stärker bzw. öfter präsentiert werden, werden automatisch auch stärker wahrgenommen. Die höhere Wahrnehmung beeinflusst unsere Beurteilungen und unsere Entscheidungen in erheblichem Maße. Sie entscheidet über den Ausgang von Wahlen, die Beliebtheit und öffentliche Anerkennung von Künstlern sowie den bevorzugten Kauf bestimmter Produkte und deren Wertschätzung bzw. Wertigkeitsempfinden inklusive der Bereitschaft, einen höheren Preis für das jeweilige Produkt zu bezahlen.

 

Wahrnehmungsfehler im Zusammenhang mit Medien, Medieninformationen und vermeintlichem Wissen beziehen sich auf das Vorkommen von Informationen in den Medien sowie die Zugänglichkeit und Abrufbarkeit von Medieninformationen, nicht aber auf die Anwesenheit der Medien selbst. 

 

Wenn Sie mehr über Wahrnehmungsfehler erfahren möchten, die allein aufgrund der Zugänglichkeit und Abrufbarkeit der Medien erzeugt werden, dann lesen Sie hier weiter unter: Wahrnehmungsfehler aufgrund Abrufbarkeit von Medieninformationen und Wissen 

 

Von den Informationen unabhängige Wahrnehmungsfehler sind separat abzuhandeln, allein deshalb, weil sie allein durch die Anwesenheit von Medienvertretern (Journalisten, Medienberichterstatter, Talk Show-Moderator etc.)  bzw. der Presse erfolgt. Die Basis für entsprechende Wahrnehmungsfehler bildet hier der Bereich der sozialen Wahrnehmung, der unter den Begriff "Social Cognition" fällt.


"Social Cognition" beschreibt und erklärt all jene kognitiven und emotionalen Prozesse, die der sozialen Interaktion und Kommunikation zugrunde liegen. Kurzum: Es geht um sozialen Einfluss.

Sozialer Einfluss

Mit "sozialem Einfluss" und "sozialer Einflußnahme sowie den Auswirkungen auf den einzelnen Menschen sowie auf Gruppen beschäftigt sich die Sozialpsychologie.

 

Aus den Zusammenhängen im Rahmen des sozialen Einflusses leiten sich die unterschiedlichsten Wahrnehmungsfehler und Effekte ab, die einen direkten oder indirekten sozialen Einfluss auf Menschen haben z.B. der sogenannte "Anwesenheitsfehler", bei dem die reine Anwesenheit anderer Personen die Beobachtung und Beurteilung einer beobachteten Person oder eines Gegenstandes stark beeinflusst.


Allein die Vorstellung, dass vermeintlich andere Menschen - der reinen Vorstellung entsprechend - etwas mitbekommen könnten, reicht aus, um zu einem anderen Urteil zu gelangen und sich völlig anders zu verhalten. Besonders stark wirkt diese Beeinflussung, wenn es sich bei der anwesenden oder vermeintlich anwesenden Personen um Bezugspersonen oder um Autoritäten handelt.


Da Medien zu solchen Autoritäten zählen bzw. dafür gehalten werden, wirkt sich allein die Präsenz der Medien derart stark auf die Urteilsfindung, Kommunikation und auf Entscheidungen aus, dass sich Interview-Partner oder geladene Talk Show Gäste - aber auch die Medienvertreter selbst vor laufender Kamera oder im "ON" des Rundfunks völlig anders verhalten und äußern, als sie es für gewöhnlich tun würden. In Bezug auf sozialen Einfluss wird zwischen informativem und normativem sozialen Einfluss unterschieden (Detail-Infos)

Anwesenheitsfehler

Die reine Anwesenheit anderer Personen beeinflusst die Beobachtung und Beurteilung einer beobachteten Person oder eines Gegenstandes. Besonders stark erfolgt die Beeinflussung dann, wenn es sich um Personen handelt, zu denen ein Bezug besteht, sogenannte Bezugspersonen. Dann spricht man vom Bezugspersonen-Effekt.

 

Bezugspersonen sind Menschen oder Gruppen, zu denen ein Beobachter, Beurteiler oder Entscheider einen bestimmten Bezug bzw. ein "Social Involvement" hat. Der Bezugspersonen-Effekt besagt, dass der Beurteiler seine Bewertung auf die Einstellung, Erwartung, Wünsche und Bedürfnisse dieser Bezugspersonen oder dieser Bezugspersonengemeinschaft ausrichtet.


In der Regel geschieht dies völlig unbewusst, allein schon deshalb, weil der Mensch ein "Herdentier" ist und stets bestimmten gesellschaftlichen Normen bzw. Gruppennormen unterliegt, in die er direkt oder indirekt in irgendeiner Art und Weise eingebunden oder sozialisiert ist.

 

Die Ausrichtung der Beurteilung in Richtung der Bezugspersonen kann aber auch bewusst geschehen z.B. um in einem guten Licht zu stehen, es anderen recht zu machen oder um sympathisch zu erscheinen oder aber umgekehrt, um sich nicht unbeliebt zu machen oder um Diskussionen und Unstimmigkeiten zu vermeiden.

Besonders stark wirkt der Bezugspersonen-Effekt bei Anwesenheit von Medien- bzw. Presse-Vertretern (Journalisten), insbesondere in Bezug auf das Fernsehen. Die reine Anwesenheit von Journalisten z.B. in einem Interview und allein die Erwartung, ins Radio oder ins Fernsehen zu kommen, beeinflussen das Verhalten der interviewten Personen, aber auch aller anderen Anwesenden enorm.
Anwesenheitsfehler und Bezugspersonen-Effekt stehen in Zusammenhang mit Konformitätsdruck.

Konformitätsdruck

Menschen sind in der Regel stets bestrebt, sich möglichst Gruppenkonform zu verhalten und den an sie gestellten Erwartungen zu entsprechen. Selbst dann, wenn diese Erwartungen nur vermutet bzw. unterstellt werden, sind Menschen bemüht, ihre Urteilsfindung möglichst konform zu den Urteilen anderer zu treffen und sich der Gruppe anzuschließen.

 

Ganz besonders stark betrifft das Menschen bei Radio- und Fernseh-Interviews bzw. Radio- und Fernsehauftritten. Allein die Erwartung von vielen anderen Menschen gehört und/oder gesehen zu werden und die damit verbundene Angst, verändert ihr gesamtes Verhalten in Richtung Anpassungsverhalten und Konformität, selbst dann, wenn die "Angst" öffentlich natürlich nicht zugegeben wird. Tatsächlich besteht jedoch die Angst, sich asozial zu verhalten und dadurch selbst ins Abseits zu geraten.

Je weniger Menschen in einer Gruppe sind, desto höher die Hemmung, gegenteiliger Auffassung zu sein, desto geringer der individuelle Widerspruch, desto wahrscheinlicher die Urteilsfindung zu Gunsten der Mehrheit der Anwesenden. Daher gilt: Was Menschen in Radio- und/oder Fernseh-Interviews bekunden, entspricht nicht zwingend ihrer eigentlichen bzw. wahren Gesinnung und selbst hinsichtlich geäußerter Fakten nicht immer der Realität.


In vielen Fällen kommt es zu Verschönerungen und/oder Verschleierungen von Fakten in Bezug auf Sachinformationen und Gefühlsäußerungen. Auch vor Gericht gilt: Je mehr Richter bzw. Geschworene, desto wahrscheinlicher ist es, dass auch Minderheitenmeinungen vertreten werden. Ein weiterer Zusammenhang besteht in Bezug auf die Verfügbarkeitsheuristik.

Verfügbarkeitsheuristik

Sie wirkt u.a. bei Häufigkeits- und Wahrscheinlichkeitsschätzungen sowie bei der Urteilsbildung im sozialen Kontext. Da im Gehirn manche Informationen schneller und leichter abgerufen werden können als andere, entscheidet die Leichtigkeit über die Wahrnehmung und Urteilsbildung. An 3 Beispiele kann man sich besser erinnern als an 20 Beispiele. Einfache bzw. niedrige Zahlen sind leichter zu merken als hohe Zahlen oder komplexe Zahlenkombinationen.

 

Einfache, oft gehörte Begriffe sind leichter zu merken als schwierige oder selten verwendete bzw. selten gehörte Begriffe. Da die Leichtigkeit des Abrufs von Informationen jedoch nicht immer den eigentlich gewünschten oder gesuchten Informationen entspricht, entstehen gravierende Fehlurteile, die sich der Urteilende nicht erklären kann.

 

Obgleich die meisten Unfälle statistisch betrachtet im Haushalt passieren, fällt es unserem Gehirn leichter, sich an typische Gefahrenberufe zu erinnern. Folglich fällt einem der Feuerwehrmann eher ein als z.B. die Hausfrau. Besonders stark wird die Leichtigkeit des Abrufs von Informationen durch Wiederholung, Bekanntheits- und Verbreitungsgrad und den Stellenwert des jeweiligen Informations-Verbreiters beeinflusst. Die Medien spielen hier eine sehr bedeutende Rolle. Sie beeinflussen die Urteilsbildung in enormem Umfang.

 

Einer von vielen Effekten, der mit dem Wahrnehmungsfehler aufgrund Medienpräsenz in Verbindung steht, ist der Dummie-Effekt.

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